Antrag der SPD Kreistagsfraktion
Wie schon die Arbeitsgemeinschaften AsF und Jusos, die mit einer gemeinsamen Veranstaltung auf das Thema Kinder- und Jugendschutz aufmerksam gemacht hatten, setzt sich auch die SPD Kreistagsfraktion gezielt für die Einrichtung einer Beratungsstelle im Kreis Heinsberg ein.
Über die Dringlichkeit und Brisanz des Themas hatten wir bereits in Bezug auf den Besuch beim Kinderschutzbund und die Veranstaltung am 14.02. hingewiesen. Als konkrete Folgerung aus unserer Anfrage 24.09. zu diesem Thema ist nun der nachfolgende Antrag entstanden. Er wird am 11. März im Jugendhilfeausschuss beraten. Wir hoffen auf breite Unterstützung von allen Fraktionen.
Den Antrag in voller Länge finden Sie hier:
Oder direkt hier zum nachlesen:
Antrag zur Beratung im Jugendhilfeausschuss am 11. März 2020 zwecks Einrichtung einer Fachberatungsstelle gegen Misshandlung und sexuellen Missbrauch
Sehr geehrte Frau Dr. Leonhard-Schippers,
für die nächste Sitzung des Jugendhilfeausschusses bitten wir folgenden Beschlussvorschlag zu beraten und abzustimmen:
Es wird eine Fachberatungsstelle gegen Misshandlung, Vernachlässigung und sexuellen Missbrauch für den gesamten Kreis Heinsberg eingerichtet, und zwar im Sinne gesicherter Erreichbarkeit gesplittet auf zwei Standorte.Die Fachberatungsstelle soll in enger Kooperation mit den Jugendämtern des Kreises und bestehenden Versorgungsstrukturen in Jugendhilfe, Bildungs- und Gesundheitssystem sowie Vereins- und Ehrenamtsstrukturen stehen und insbesondere niedrigschwellige Beratungsangebote für betroffene Familien vorhalten. Gerade im ländlichen Raum mit geringerer Dichte an Hilfeangeboten und schwierigeren Zugangswegen ist es wichtig, die Vernetzung mit bereits bestehenden Einrichtungen und Institutionen zu vertiefen und zu erweitern und auch für diese spezialisierte Fachberatung vorzuhalten.
Es ist erforderlich, dass qualifizierte Fachkräfte (Dip. Psycholog*innen/ Dipl. Sozialpädagog*innen mit Zusatzausbildung o.ä.) zur Beratung, für Prävention und Intervention zur Verfügung stehen. Ebenso erforderlich sind Räumlichkeiten, die zentral und damit erreichbar liegen, aber auch einen vertraulichen und geschützten Zugang erlauben sowie behindertengerecht gestaltet werden. Urlaubs- und Krankheitsvertretung, Arbeit im Team / VierAugen-Prinzip sowie Supervision für die Mitarbeiter*innen / Teilzeitkräfte sollen gewährleistet sein. Die Daten der Beratungsstelle wie Adresse und Kontaktdaten sowie Öffnungszeiten sind zu veröffentlichen und zu bewerben.
Begründung:
Der Jugendhilfeausschuss beschäftigte sich bereits in seiner Sitzung am 07.10.2019 mit dieser Thematik und unserer Bedarfsnachfrage zum Thema. Seitens der Verwaltung wurde zugesagt, die vorliegenden Bedarfszahlen zu ergänzen und zu vertiefen sowie weitere Erfahrungsberichte einzuholen.Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) und die Jusos im Kreis Heinsberg haben darüber hinaus diesbezüglich am 14.02.2020 eine Podiumsdiskussion in Übach-Palenberg mit Expert*innen durchgeführt, die den Bedarf für eine solche Fachberatungsstelle – mit besonderem Zuschnitt auf den ländlichen Raum – als gegeben betrachten. Prävalenzstudien zeigen, dass Gewalterfahrung bei Kindern/Jugendlichen und (drohende) Kindeswohlgefährdung relevante Probleme in der Gesamtbevölkerung sind: 6,7 % befragter Erwachsener geben körperliche Gewalt als Problem in der Kindheit an, 6,5 % seelische Misshandlung wie Demütigungen, Einschüchterung, Isolierung, emotionale Kälte, 7,5 % sexuelle Gewalt und gut 20 % Vernachlässigung.
Dies gilt gleichermaßen in Städten und ländlichen Regionen. Allerdings erschweren ländliche Räume zum Teil mit infrastruktureller Problematik, zum Teil aber gerade auch in ihrer Ressource der sozialen Nähe mit Sorge um Stigmatisierung die Zugänge der Betroffenen zu Schutz- und Hilfekonzepten. Hier bedarf es eben fachlich sensibler und vernetzter Expertise. Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs bei der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, berichtet, dass im letzten jährlichen Berichtszeitraum 21.000 mal das Notruftelefon in Anspruch genommen wurde. Erschreckend sind auch die Berichtszahlen des LVR. Hiernach haben 20–34 % der Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen sexuellen Missbrauch in Kindheit und Jugend durch Erwachsene erfahren. Nimmt man die Übergriffe durch ältere Kinder und Jugendliche sowie Gleichaltrige hinzu, hat laut Untersuchungsreport jede zweite bis vierte dieser Frauen sexuelle Übergriffe in Kindheit und Jugend erlebt, allen voran gehörlose und höreingeschränkte Frauen (52 %), gefolgt von blinden und seheingeschränkten Frauen (40 %). Insbesondere unter Hinweis auf die vorherigen Ausführungen wird deutlich, dass hier eine Fachberatungsstelle unabdingbar ist. Sie sollte in der Lage sein, in Fällen von Gewalt und Missbrauch auch behinderten und eingeschränkten Kindern und Jugendlichen und deren Familien zu helfen.
Ein wesentlicher Auftrag für die Beratungsstelle liegt neben der Beratung und Begleitung für Betroffene in der Aufklärung und Prävention für Eltern, Kinder und Jugendliche sowie Fach- und ehrenamtliche Kräfte und in der spezialisierten Fachberatung für eben diese Fach- und ehrenamtlichen Kräfte aus KiTas, Schulen, Vereinen im Umgang mit Vermutungen auf Gewalterleben und Kindeswohlgefährdung.
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